Die Römer in Schwaben. 32. Arbeitstagung der Historischen Vereine, Heimatvereine, Museen und Archive in Schwaben

Die Römer in Schwaben. 32. Arbeitstagung der Historischen Vereine, Heimatvereine, Museen und Archive in Schwaben

Organisatoren
Heimatpflege des Bezirks Schwaben; Historischer Verein für Schwaben; Schwabenakademie Irsee (Schwabenakademie Irsee)
Ausrichter
Schwabenakademie Irsee
PLZ
87660
Ort
Irsee
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
28.01.2023 - 28.01.2023
Von
Felix Guffler, Bezirksheimatpflege Schwaben

Ganz traditionell fand Ende Januar die jährliche Arbeitstagung der Historischen Vereine, Heimatvereine, Museen und Archive in Schwaben in der Schwabenakademie Irsee statt. Das bewährte Format, das seit vielen Jahren von der Bezirksheimatpflege Schwaben und dem Historischen Verein für Schwaben organisiert wird, soll Vereinen, Kulturinstitutionen und geschichtsinteressierten Personen eine Informations- und Austauschbörse regionalgeschichtlicher Forschung und Kulturarbeit in Schwaben bieten. Zentrales Anliegen der Arbeitstagung ist es, als Austausch- und Vernetzungsplattform zu fungieren und gleichzeitig wissenschaftliche Impulse zu wechselnden, aktuellen kulturhistorischen Thema zu geben.

Das diesjährige Thema, „Die Römer in Schwaben“ stieß auf großes Interesse. Als Konsens stellten die Veranstalter und Anwesenden während der Tagung bereits fest, dass das Thema grundlegende Ergebnisse für die Geschichte Schwabens und sein römisches Erbe lieferte. Es zeigte sich, dass die Beschäftigung und Vermittlung des römischen Erbes der Region eine überregionale Dimension für das Zusammenwirken von Forschung, Vermittlung und Tourismus besitzt und diese dezidiert fördern kann Darüber hinaus schafft das Thema eine Verbindung Schwabens mit anderen Regionen in Süddeutschland. Schwaben mit der Provinzhauptstadt Augusta Vindelicum besitzt die größte archäologische Funddichte und umfasst das Kerngebiet der römischen Provinz Raetia. Darüber hinaus besteht eine lange wissenschaftliche und lokalgeschichtliche Tradition der Beschäftigung mit den Römern, deren Wurzeln bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen. Auch in der Gründungsphase vieler lokaler Historischer Vereine kam dem römischen Erbe eine große Bedeutung zu

Die Römer sind ein Thema, das Interesse generiert und die Menschen bewegt. Die kontinuierlich fortschreitende Forschung und neue, Aufsehen erregende archäologische Funde stoßen auf breites Interesse und geben dem Thema eine gesellschaftliche Relevanz. Die seit langem andauernde Diskussion und die aktuellen Planungen um die Zukunft des Römischen Museums in Augsburg standen im Zentrum der Diskussionen während und abseits des Tagungsbetriebs. Es bestand Einigkeit darüber, dass dem römischen Erbe Augsburgs eine besondere Bedeutung und Wichtigkeit zukommen, die die Dringlichkeit einer angemessenen und modernen musealen Präsentation der Provinz und ihrer Hauptstadt bedingen.

Gemeinsam mit den großen römischen Museen in der Region – neben Augsburg besitzt auch der Archäologische Park Cambodunum eine überregionale Bedeutung – sind es die vielen Historischen Vereine und Heimatvereine, die die Vermittlungs- und Forschungsarbeit im lokalen Raum übernehmen. Gleichzeitig zeigte sich für die Erforschung der Römerzeit die Relevanz übergeordneter staatlicher Institutionen, darunter das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege, die Archäologische Staatssammlung und die universitären Lehrstühle.

Die Teilnehmer wurden von MARKWART HERZOG (Irsee) und CHRISTOPH LANG (Augsburg) begrüßt. BERND STEIDL (München) eröffnete das Tagungsprogramm mit seinem Beitrag zur Besiedlung der Provinz Raetien im 1. Jahrhundert. Er betonte die Zentralstellung des Bezirks Schwaben in der historischen Provinz Raetien mit den großen Siedlungen Kempten und Augsburg sowie der via Claudia als zentrale Verbindungsstraße nach Italien. Die Bevölkerung war gemischt: Kelten, Germanen und Römer lebten zeitgleich in Schwaben. Er revidierte damit das vorherrschende Bild einer weitgehenden Durchdringung der Provinz mit römischer Präsenz. Schwaben sei damit besonders im 1. Jahrhundert ein Gebiet gewesen, in dem unterschiedliche Bevölkerungsgruppen nebeneinander lebten und im gegenseitigen Austausch standen.

ANDREAS HARTMANN (Augsburg) stellte kursorisch die gegenwärtige Forschungsdiskussion in Bezug auf die Provinz Raetien vor. Schwerpunktmäßig beschränkte er sich auf drei gegenwärtige Streitpunkte: den Zeitpunkt der Einrichtung der Provinz, die Standortfrage des Statthaltersitzes und den Zusammenbruch des Limes.

Der anschließende Themenblock befasste sich mit dem römischen Augsburg. Stadtarchäologe SEBASTIAN GAIRHOS (Augsburg) gab einen Überblick über die großen Grabungen der vergangenen Jahre, die immer wieder spektakuläre Funde zutage förderten. Besonders Flussfunde im Wertachkies seien beachtenswert: bedeutende Inschriften zur Augsburger Stadtgeschichte, das einzige komplette Pfeilergrabmal sowie der größte Silbermünzenhort in Süddeutschland kamen hervor. Aktuell werte man die Metallfunde aus Altgrabungen in Augsburg-Oberhausen neu aus. Man erhofft sich daraus neue Ergebnisse zur frühen Besiedelung von Augsburg. Im Zuge geplanter größerer Baumaßnahmen im Bereich von Augsburg-Oberhausen seien dort in den nächsten Jahren weitere neue Funde zu erwarten.

Der Augsburger Kulturreferent JÜRGEN ENNINGER (Augsburg) betonte in seiner Bilanz zum Römischen Museum in Augsburg die identitätsstiftende Funktion der römischen Geschichte für die Stadt. Augsburg sei laut Enninger die erste bayerische Hauptstadt und die größte antike Stadt zwischen Alpen und Rhein gewesen. Anschließend lieferte der Referent einen Überblick über den aktuellen Planungsstand zur Neuerrichtung eines Römischen Museums in Augsburg.

Nach dem Grußwort des Bezirkstagspräsidenten MARTIN SAILER (Augsburg) eröffnete MAIKE SIELER (Kempten) den Themenblock zu Kempten. Sie stellte das überarbeitete und in Teilen neue Ausstellungskonzept des Archäologischen Parks Cambodunum in Kempten vor. Dieses verbindet die Rekonstruktion von Baubefunden mit dem Einsatz neuer Medien, darunter eine neuprogrammierte App für den Rundgang über das Gelände und den Einsatz von Virtual Reality. SALVATORE ORTISI (München) präsentierte anschließend die Ausgrabungsergebnisse in der Insula 1 in Kempten. Er wies darauf hin, dass Kempten die erste reine Zivilsiedlung in Raetien war, anhand derer zahlreiche archäologische Fragen geklärt werden könnten, darunter die Fragen nach Brüchen, Zäsuren und Kontinuitäten innerhalb der römischen Stadtentwicklung Kemptens.

Anschließend referierte FELIX GUFFLER (Augsburg) über das römische Faimingen, das ein wichtiges Zentrum der Provinz und des Apollo-Grannus-Kultes war. Neben der Präsentation aktueller Forschungsbefunde problematisierte der Referent den Umgang mit dem römischen Erbe vor Ort. Dieser und dem damit verbundenen ehrenamtlichen Engagement werde man vor Ort selten gerecht.

RAPHAEL GERHARD (Günzburg) lenkte den Blick auf die museale Präsentation römischer Geschichte in kleineren Museen. Am Beispiel der Dauerausstellung zum römischen Günzburg im städtischen Heimatmuseum berichtete der Referent von seinen Erfahrungen als Museumsleiter und den verschiedenen Möglichkeiten zur Gewinnung neuer Zielgruppen mittels der lokalen römischen Geschichte und damit verbundenen Veranstaltungen

Die abschließende Sektion der Tagung warf einen Blick auf Formen der experimentellen Archäologie. RENATE BERNHARD-KOPPENBERGER (Schwabmünchen) und MARKUS KOPPENBERGER (Schwabmünchen) erläuterten die praktische Umsetzung im Rahmen ihres Engagements innerhalb der Reenactment-Szene, wobei sie zunächst den Unterschied zwischen einer Kostümierung und einer historischen Bekleidung heraushoben. Die Referenten präsentierten eine rekonstruierte Frauenkleidung aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. (CIL XIII, 7067 = CSIR II, 6, 2) sowie die Ausstattung eines Zenturios der Kaiserzeit.

Abschließend gab LEANDER SCHMIDT (Thierhaupten) einen Einblick in die Arbeit der Dendrochronologen beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege in Thierhaupten. Er stellte die naturwissenschaftliche Methode und die einzelnen Arbeitsschritte detailliert vor und zeigte die Möglichkeiten zur Datierung und Herkunft einzelner Baumarten auf. Dieses Verfahren komme sowohl in der Bodendenkmalpflege, der Archäologie und der Baudenkmalpflege zur Anwendung.

Zum Schluss skizzierte CHRISTOF PAULUS (Augsburg) die Leistungen des Historischen Vereins für Schwaben bei der Erforschung der Römerzeit in Schwaben vom 19. Jahrhundert bis heute. Ende des 19. Jahrhunderts hatte es enge Verschränkungen zwischen Politik, Wissenschaft und Kirche gegeben; damals gemachte archäologische Funde seien große gesellschaftliche und mediale Ereignisse gewesen, zu deren Verbreitung und Rezeption der Historische Verein einen wichtigen Beitrag leistete. Zusammenfassend plädierte Paulus für die zukünftige Forschung und Vermittlung der Römerzeit in Schwaben, die sich von zu engen Lokalismen und Epochenzentrierungen löse. Vielmehr sollen die Mobilitäten und Dynamiken in der Region gemeinsam aufgegriffen werden. Die Geschichte Raetiens sehe er als Teiler einer süddeutschen Regionalgeschichte, bei der sich ein integrativer Ansatz geradezu anbiete.

Konferenzübersicht:

Christoph Lang (Augsburg) / Markwart Herzog (Irsee): Begrüßung und Einführung

Bernd Steidl (München) Römer – Kelten – Raeter – Germanen. Die ländliche Bevölkerung Raetiens im 1. Jahrhundert n. Chr.

Andreas Hartmann (Augsburg): Aktuelle Forschungsdiskussionen zur Provinz Raetien

Sebastian Gairhos (Augsburg): Neue Erkenntnisse zum römischen Augsburg

Jürgen Enninger (Augsburg: Die Vorplanungen zum Römischen Museum in Augsburg

Martin Sailer (Augsburg): Grußwort

Maike Sieler (Kempten): Neues aus dem Archäologischen Park Cambodunum – zur Präsentation und Vermittlung der Römerstadt Kempten

Salvatore Ortisi (München): Neue Erkenntnisse zum römischen Kempten

Felix Guffler (Augsburg): Das römische Faimingen

Raphael Gerhardt (Günzburg): Die Römer im Museum. Erfahrungen und Anregungen aus dem Heimatmuseum Günzburg

Leander Schmidt (Thierhaupten): Dendrodatierung als archäologische Methode

Renate Bernhard-Koppenberger (Schwabmünchen) / Markus Koppenberger (Schwabmünchen): Reenactment und experimentelle Archäologie

Christof Paulus (Augsburg): Schlussdiskussion und Zusammenfassung